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Freitag, 15. August 2014 - Sie ist da....

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    • 17. Aug 2014 17:00
    • Hallo Tessa,

      ich hoffe, du hast nichts dagegen, die Sache auch hier im Blog zu beschreiben?! Vielleicht liest es ja jemand, und es wird etwas ins Rollen gebracht, was vielen nützlich sein kann. :-)

      Ich finde es tatsächlich eine ganz unglaubliche Situation. Ich habe ja selbst keine Kinder, aber ich kann mir auch gar nicht vorstellen, wie es ist, sein Kind abzugeben, bzw. ein fremdes Kind aufzunehmen. Ich kenne zwar ein paar Kinder, die in Langzeitpflegefamilien untergekommen sind, dort also jahrelang gelebt haben, aber von solch einer Situation, wie du sie beschreibst, habe ich vorher noch nie gehört. Wie verkorkst die Welt doch sein muss, in die manche Kinder geboren werden...
      Wie hat sich die Kleine denn eingelebt? Weint sie immer noch so viel? Kennt ihr schon den genauen "Abreisetag"? Ich mag mir gar nicht vorstellen, dass sie dann schon wieder aus ihrem Umfeld gerissen wird. Da musste sie in ihrem kurzen Leben ja wirklich schon viel mitmachen.
      Dass ihr so schnell nach eurer ersten Bewerbung angenommen wurdet, zeigt glaub ich auch, wie dringend Krisenpflegefamilien gebraucht werden.
      Ich kann gut nachvollziehen, dass dich viele Dinge bedrücken oder erdrücken. Du kannst froh sein, dass du so einen tollen Mann hast, der dir Mut macht und mit dem du das zusammen durchstehen kannst.
      Ich drücke euch allen weiterhin die Daumen, dass es allen Beteiligten so gut wie möglich geht. :-)

      Love, ZH
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    • 16. Aug 2014 07:34
    • Hallo meine Liebe,
      Krisenpflege bedeutet, dass Kinder von jetzt auf gleich aus den Familien genommen werden, genauso schnell in die Krisenpflegefamilien aufgenommen werden müssen. Das heisst, wir bekommen den Anruf meist kurz, bevor wir das Kind abholen müssen. Ich wurde im Fall unserer Kleinen um 11 Uhr Vormittags angerufen und um 16 Uhr fand die Übergabe statt. Die Übergabe, ebenso die Treffen mit den Eltern finden immer auf neutralem Boden in der Auffanggruppe statt. Bei der Übergabe waren die getrennt lebenden Eltern da, eine Frau vom ambulanten Familiendienst, die seit einem Jahr in der Familie arbeitet und die zuständige Dame vom Jugendamt, natürlich ich und die Leiterin der Auffanggruppe, die unser Ansprechpartner ist.

      Die Kleine begreift (leider) schon sehr gut, dass da etwas im Argen liegt, sie weint um ihre Mama und sagt, wäre sie eine gute Mama, würde sie selbst auf sie aufpassen und sie nicht zu mir geben. Ich weiss nicht, wie es der Mutter geht, aber es war in diesem Fall keine angeordnete Maßnahme vom Jugendamt, sondern eine freiwillige Abgabe der Mutter, die offenbar psychisch und pysisch an ihre Grenzen gestossen ist... bei der Übergabe schien sie teilnahmslos, hat kein Wort gesprochen. Ich gehe fest davon aus, dass auch ihr dieser Schritt nicht leicht gefallen ist....

      In einer Krisenpflegefamilie bleiben die Kinder max. 3 Monate, in dieser Zeit versuchen die zuständigen Stellen gemeinsam mit den Eltern nach Lösungen zu finden, leider ist es so, dass von den kleinen Krisenkindern nur ungefähr 5% tatsächlich wieder in ihre Familien rückgeführt werden, der große Teil kommt nach der Krisenpflegefamilie in eine Langzeitpflege. Somit auch die Antwort: NEIN, es ist nicht möglich, dass wir die Kinder in die Langzeitpflege übernehmen - für uns war das aber auch ein Argument, dass wir Kinder wirklich nur für eine bestimmte Zeit in unsere Familie aufnehmen; Unseren Jungs gehts bisher gut, unser Pflegemädchen ist genau zwischen unseren beiden Ältesten geboren, die Drei verstehen sich ganz gut... in 3 Wochen beginnt wieder der Kindergarten, dann wird auch unser Pflegemädchen fürs erste hier in den Kindergarten kommen, denke, das entspannt dann auch meine Situation.

      Dies ist ja unser erster Einsatz - beworben hab ich mich vor einem Monat, drei Tage nach meiner 1. kurzen Mail kamen die zuständigen Damen auf Besuch und im Anschluss standen wir auf der Liste... und jetzt sind wir im "Einsatz". Ich gebe zu, gestern und vorgestern war es, als hätte ich einen Stein im Magen... es war überhaupt nicht einfach und ich hab mich fast nicht drüber gesehen... aber mein Mann hat mich sehr beruhigt, immerhin haben wir innerhalb von ein paar Stunden ein neues Familienmitglied bekommen und wir alle brauchen jetzt einfach etwas Zeit, uns in der neuen Situation einzufinden. Sie ist leider noch nicht trocken, weder tagsüber noch nachts, ein paar "Baustellen" gibt es schon, aber im großen und ganzen ist sie ein liebes, tapferes und freundliches Mädchen und ich bin zuversichtlich, dass wir diese Krisenzeit gemeinsam gut meistern und ich hoffe für die Kleine von Herzen, dass am Ende eine gute Lösung für sie dabei rauskommt, wenn gleich man bereits angedeutet hat, dass eine Rückführung zur mama eher nicht möglich sein wird...

      Soweit ein kleiner Einblick! Gerne kannst Du Deine Fragen auch per PN stellen, jederzeit... mir hilfts grad auch, wenn ich ein paar meiner Gedanken und auch Ängste auf diesem Weg loswerden kann...
      Gruß an Dich!
      Tessa
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    • 15. Aug 2014 18:08
    • Hallo Tessa,

      es klingt alles sehr aufregend und interessant.
      Wie lange lief denn eure Bewerbung? Hattet ihr das Mädchen gar nicht vorher kennen gelernt? Ich stelle es mir unbegreiflich für ein kleines Kind vor, von den Eltern getrennt zu werden und in eine neue Familie zu wachsen. Versteht sie es in dem Alter überhaupt? Du schreibst, sie kann ihre Eltern sehen. In welchen Abständen kann man sich das denn vorstellen? Und ist dann immer jemand vom Familiendienst mit dabei? Weißt du, wie es der Mutter geht? Wie lange werdet ihr das Kind denn bei euch haben? Besteht die Möglichkeit, dass ihr sie komplett bis zur vollständigen Selbstständigkeit als Pflegefamilie behaltet? Wie fühlen sich denn eure Kinder?
      Entschuldige bitte mein Interesse. Ich finde das nur wirklich sehr spannend.

      Und weiterhin natürlich viel Glück auf deinem MM-Weg.

      Love, ZH
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    • 15. Aug 2014 09:02
    • .... gestern Nachmittag habe ich unser kleines Krisenpflegemädchen abgeholt... Ihre Eltern: beide sehr, sehr jung, getrennt, der Papa sehr engagiert, die Mama sprach kein Wort, bei ihr wohnt die Kleine, seit einem Jahr ist der amulante Familiendienst zur Unterstützung da... in den letzten Tagen hat sich die Lage der Kindsmutter verschärft, sie ist dem allen nicht mehr gewachsen.... eine Frau vom Jugendamt, die Leiterin der Auffanggruppe (=meine Kontaktperson) und die Frau vom FAmiliendienst waren da.... Ich bekam ein paar Infos zum Mädchen, dann haben sie uns zum Auto begleitet und sie schrie wie am Spieß... ich sage Euch, es war heftig.... Sie hat sich dann zwar rasch beruhigt, mit mir geredet, wir haben dann auf dem Weg nach Hause noch Sticker gekauft, die wir im Kalender an den Tagen kleben, an denen Sie in den nächsten Wochen ihre Eltern sehen darf....

      Zu Hause hat sie sofort mit meinen Jungs das Kinderzimmer begutachtet und weg war sie... sie scheint sehr freundlich, aufgeweckt... Gegessen hat sie, als hätte sie schon ewig nix mehr gekriegt, mein Mann und ich haben nur so geschaut... dann gings ins Bad mit allen und ins Bett - soweit noch ok... doch dann fing sie an ganz unglaublich zu weinen, sie wolle zur mama, sie wolle sofort zur Mama, sie könne hier unmöglich schlafen, sie wollte mit ihr telefonieren, aber wir Kriseneltern haben überhaupt keinen direkten Kontakt zu den leiblichen Eltern und dürfen auch keinen aufnehmen, ich hätte nicht mal die Nummer. Ich sass fast 3 Stunden bei ihr, bis der Schlaf sie endlich übermannt hat. Sie sagte mir schon im Auto, sie könne Nachts nicht durchschlafen und stehe dann auf und schaue fern... Ich hab die halbe Nacht wach gelegen, aber sie schlief bis heute halb acht, einmal hat sie kurz geweint, aber bis ich kam, schlief sie wieder... Heute früh dann ein freundliches "Guten Morgen", wir haben gefrühstückt und nun spielt sie mit den Jungs.... und ich kann nur erahnen, wie die Mama dieses Mädchens lebt und ist, aber es ist kaum zu begreifen, dass man an den Punkt kommt, wo man sagt, ich geb sie fürs erste weg.... wahnsinn.

      Und wisst ihr was: mir hats gestern fast die Luft genommen.... wenn man ein fremdes Kind im Auto hat, das so sehr brüllt und zu seiner Mama will, dann fragt man sich schon, ob man dem gewachsen ist... sie tut mir unendlich leid, und irgendwie hats mich heute Nacht fast "erdrückt", ich meinte, ich könne das nicht bewältigen... musste mich selbst beruhigen, bewusst atmen und mir sagen, ich mach es wie immer: "eins nach dem Anderen, sich Zeit nehmen und uns allen Zeit lassen".... aber es ist eine große Aufgabe, soviel hab ich in den wenigen Stunden begriffen und ich habe Respekt vor allen Menschen, die sich dieser Herausforderung stellen.... (ich zähl mich noch nicht so dazu, ich bin erst dabei, zu erleben, zu spüren, herauszufinden, ob wir das schaffen können, auch für die Zukunft); das kleine Mädchen lebt sich hoffentlich bald gut ein, meine Jungs helfen ihr sehr, sie spielen, als wären sie schon immer Freunde... Kinder sind so unglaublich unkompliziert....

      Mädels, es tut mir gut, wenn ich Euch hier ab und an ein wenig berichten kann.... wenn man Sorgen und Zweifel nieder schreibt, sind sie meist nur noch halb so groß...
      Tessa