• 11. Okt 2015 22:02
  • Ich hatte heute erneut eine tolle Inspiration durch eine liebe Teilnehmerin hier bei MM.
    Es tut irgendwie gut zu lesen, dass sich andere vergleichbare Gedanken machen. Nie genau gleich, aber oft ähnlich.
    Wenn es uns gelingt, uns hier und da mal etwas gegenseitig aufzurichten oder aufzumuntern, haben wir doch schon viel erreicht.
    Mir hat demnach der Eintrag in einem anderen Blog Mut gemacht, meinem Freund mal eine mir wichtige Frage zu stellen. Dazu später mehr.

    Die Bloggerin hatte festgestellt, dass sie bei ihrer Hochzeit gut 10 kg mehr gewogen hat als heute. Vermutlich ist es deshalb sie allein, die immer noch hin und wieder "ein Problem" mit ihrem Gewicht hat. Sie ist auf einem sehr guten Weg, zu erkennen, dass sie so wie sie ist, gut ist, egal, ob das von außen bestätigt wird oder nicht.

    An mir selbst stelle ich auch immer mal fest, dass ich mir rational sagen kann, dass ich von der Meinung Dritter schließlich nicht abhängig bin und so, wie ich bin, doch eigentlich ganz o.k. bin.
    Bei entsprechenden Gelegenheiten, kommen die Selbstzweifel aber dann doch mitunter wieder.
    Wobei es bei mir noch nicht mal lange, grüblerische Selbstzweifel sind. Rational kann ich mich da sehr gut beruhigen und mir positive Gedanken machen.
    Es gibt sogar Menschen, die mir schon mal vorgeworfen haben, ich könne auch in dem größten Mist noch etwas Positives sehen....das bezog sich aber auch auf meine Haltung zu anderen Personen und nicht auf etwas zu mir selbst.
    D.h. also, ich gehe mit mir selbst viel härter ins Gericht als mit Dritten. Denen halte ich immer noch irgend etwas zugute, warum dies oder das ggf. nicht geklappt hat etc..
    Ich fühle mich auch sehr schlecht in Gegenwart von Menschen, die vorschnell oder übermäßig hart über andere urteilen. So etwas kann ich sehr schwer ertragen. Es gibt zwar Dinge, die auch ich nicht gut heiße und gegen die ich klar Stellung beziehen kann. Das geht bei mir aber erst ungefähr in Kategorien los, für die wir ein Strafgesetzbuch o.ä. haben.
    Wenn aber schlecht über jemanden geredet wird, weil er z.B. bei etwas zu langsam war oder zu begriffsstutzig oder aber sich altmodisch kleidet, irgend eine etwas merkwürdige Angewohnheit hat o.ä., empfinde ich jedes Lästern darüber meist schon als unnötiges Mobbing.

    In solchen Situationen setze ich mich dann eher für die vermeintlich Schwächeren ein. Das wird mir hier und da dann auch negativ angekreidet.

    Mit den eigenen Unzulänglichkeiten habe ich demnach weit aus mehr Probleme.

    Wie schon gesagt, kann ich rational noch ganz gut damit umgehen und meine Gedanken in die richtige Richtung lenken.
    Dennoch wird in manchen Situationen leider mein Puls gefühlt etwas schneller. Es stellt sich eine Art Angst, Kloß im Hals sowie eine diffuse Verlust- oder Versagensangst ein.
    Im Moment habe ich das hin und wieder im Beruf, weil alles sehr, sehr viel ist und ich die Befürchtung habe, den Spagat nicht gut genug hinzubekommen.
    Was genau ist meine Angst? Irgendwie nicht zu genügen...durch eventuelle Unzulänglichkeiten entsprechende "Folgeprobleme" zu bekommen, so dass mir irgendwann alles über den Kopf wächst.
    Ich werde demnach so oder so froh sein, wenn die nächste Woche vorbei ist, denn da liegen ein paar problematische Termine an. Zusätzlich muss ich mich noch um diverse andere wichtige Dinge kümmern, die alle einzeln nichts Schlimmes sind, aber insgesamt in der verfügbaren Zeit nicht zu bewältigen sein werden. Ich setze demnach weiter Prioritäten und hoffe weiter, dass ich sie jeweils richtig setze. Fehleinschätzungen dabei fallen leider meist erst im Nachhinein auf. Vordergründig bin ich die "Erfolgsverwöhnte". Es gibt bislang keine negativen Beurteilungen, keine peinlichen Situationen etc. Allein: Erwartungshaltungen und meine Angst, die dauerhaft nicht erfüllen zu können und womöglich irgendwann mal eine peinliche Situation erleben zu müssen.
    Meine These: Auch nach Anerkennung kann man irgendwie "süchtig" bzw. davon abhängig werden.
    Letzte Woche habe ich ja schon festgehalten, dass dies wohl schon in frühster Kindheit bei mir entstanden ist, dadurch, dass ich immer so schön gelobt wurde...demnach: keiner wollte mir etwas Böses, alle wollten nur "mein Bestes"...war ja wirklich so, hat allerdings zum Teil das Falsche bewirkt.
    Funktioniert hat, dass ich rein praktisch bis heute sehr gut durchs Leben gekommen bin. Bin ich auch nicht undankbar an der Stelle. Der gute Wille meiner Liebsten zählt und ich liebe sie uneingeschränkt alle.
    Meine Oma ging allerdings gerne mal mit meinen schulischen Erfolgen hausieren...das war mir dann schon unangenehm. Zurecht wie sich später rausgestellt hat, denn die anderen Omas, bei denen meine Oma ihre Geschichten über das vermeintlich schlaue Enkelchen angebracht hat, haben das dann ihren eigenen Enkeln vorwurfsvoll unter die Nase gehalten...nicht gerade Freundschaftsfördernd, aber so weit hat meine Oma wohl nicht gedacht...halte ich ihr jetzt zumindest mal zu Gute (aha!).
    Auf eine Art habe ich im Vergleich selbst da ja noch den besseren Part erwischt, obwohl ich es bis heute daneben finde, wenn mit Schulnoten o.ä. geprahlt wird. Man ist ja schließlich kein besserer Mensch, nur weil man etwas früher lesen konnte als andere.
    Ob mich das Verhalten meiner Oma tatsächlich die eine oder andere Freundschaft gekostet hat, werde ich natürlich nie genau wissen.
    Gehalten haben jedenfalls die Freundschaften zu den lieben Mädels, die dahingehend über den Dingen standen und hinter der Prahlerei meiner Oma und dem Anflug von Streberei bei mir dennoch mich als Menschen gesehen haben und mit mir Jahre später dann herzlich über unsere lieben Omas gelacht haben.

    Was sich dennoch wie ein roter Faden bei mir durchgezogen hat, ist das besonders ungute Gefühl in vermeintlichen Situationen des "Versagens".
    Als Kind waren die Anlässe nichtig.
    Vordergründig war ich durchaus selbstbewusst und eine Frau (ein Mädel) der Tat. Es hinterließ bei mir ein gutes Gefühl, Dinge bewegen zu können.
    Frei nach dem Motto: "Wer nichts tut, macht auch keine Fehler" war ja eigentlich klar, dass beim Machen hier und da auch mal etwas schief gehen konnte. Und damit konnte ich dann aber sehr schlecht umgehen. Ich habe das vermeintliche Versagen über unangemessen lange Zeit nicht aus dem Kopf bekommen können.
    Ich kann noch heute die Gefühle aus meinen Grundschultagen heraufbeschwören als mich meine Lieblingslehrerin mal geschimpft hat, weil ich aus ihrer Sicht nicht geduldig genug auf die Ausgabe der Pausenspielgeräte gewartet habe, sondern in Eigenregie die Springseile von einem Garderobehaken runtergezogen habe, wobei die Garderobe dabei von der Wand fiel.....uppps! Nichts weiter passiert, aber eine Missfallensäußerung, die mich sehr getroffen hat und mir noch Jahre später durch den Kopf geisterte...Leider ließ es sich nicht mehr ungeschehen machen, was ich soooo gerne getan hätte.
    Vielleicht treffe ich die Grundschullehrerin nochmal irgendwann. Dann frage ich sie mal, ob sie sich noch an mein schreckliches Fehlverhalten von damals erinnern kann :-) Tja, solche Probleme hatte ich...versteht Ihr, warum ich immer sage, ich hatte eine glückliche Kindheit?
    Rational konnte ich mir das zurecht sagen. Dieses Scheißgefühl konnte ich dennoch nicht ganz abstellen. Es hat mich halt unangemessen beschäftigt.
    So gab es noch ein paar weitere Szenen, die alle nicht schlimmer waren als das geschilderte "Versagen".
    Meine These deshalb: Egal wie groß das Abweichen von der "Norm", den Erwartungen anderer o.ä. tatsächlich ist, die prägenden Ereignisse sind die Spitzen dieser Abweichungen.
    Bei einem geradlinigen Lebensverlauf wie bei mir, bleiben halt schon die klitzekleinen Spitzen hängen. Rückblickend betrachtet war das halt regelrecht lächerlich. Als Kind habe ich diese minimalen Abweichungen von der "Linie der Glückseligkeit" jedoch als ernsten Makel empfunden.
    Schön ist, dass ich die Ausschläge ins Positive zum Glück ebenso bewusst und dankbar wahrgenommen habe.
    Wir hatten in unserer Familie immer sehr viel Spaß. Teilweise haben wir so viel gelacht, bis wir Bauchschmerzen hatten.
    Wenn ich ehrlich bin, kam das allerdings hauptsächlich mit meinem Vater und meinem Bruder vor.
    Meine Mutter war da wesentlich kontrollierter, nicht so ausgelassen.
    Da ich alle geliebt habe, wollte ich natürlich niemanden enttäuschen. Hierher leite ich mein eher angepasstes und "braves" Verhalten her.
    Zum Glück nie so brav, dass ich keinen Spaß gehabt hätte, aber immer ein wenig mit dem Schielen auf die Wirkung innerhalb meiner Familie und später den Freunden, Bekannten etc..
    So, genug für heute mit Vergangenheitsbewältigung. Ich bin ja mit allem inzwischen gut ausgesöhnt. Nur das Ausbaden der Gefühle übers Essen blieb mir leider unangemessen lang erhalten.

    So, und jetzt zurück zur Frage an meinen Freund:
    Bei mir war es leider umgekehrt: Als ich ihn kennenlernte, war ich gerade am Tiefpunkt angelangt, psychisch, aber auch gewichtstechnisch.
    Ich weiß noch genau, welche Klamotten ich in welcher Situation unseres Kennenlernens getragen habe...Größe 38 bei 1,78 Metern Größe!
    Er betonte anfangs auch, dass er gerne eine schlanke Freundin hat. Ich habe ihn dann vorgewarnt, dass das Schlanksein nicht zu meinen stärksten Eigenschaften zählt, denn auch mir war klar, dass die vorausgegangene Gewichtsabnahme keiner Diät oder Ernährungsumstellung, sondern einer Depression geschuldet war....und die wollte ich ja gerne überwinden.
    So kam es dann tatsächlich, dass ich im Laufe der Zeit tatsächlich alle verlorenen Pfunde wieder zugenommen habe und noch ein paar mehr.
    Inzwischen bin ich ja schon wieder in Gefilden, in denen ich viele meiner früheren Klamotten wieder anziehen kann und fühle mich jetzt sowohl physisch als auch meistenteils psychisch gut.

    Vor MM hatte ich ja schon 6 kg allein dadurch abgenommen, dass ich Zucker gegen Erythrol ausgetauscht hatte.
    Nach insgesamt fast 30 verlorenen Kilogramm habe ich meinen Freund deshalb vorhin mal direkt gefragt, ob es für ihn eigentlich schlimm war, dass ich in der Zwischenzeit so heftig zugenommen hatte.
    Er sagte: "Schlimm nicht, aber schade, weil Du nicht mehr so belastbar warst, d.h. wir im Urlaub nur kürzere Wanderungen machen konnten, ich die Treppen schlechter rauf kam und mir oft die Füße weh getan haben. Es sei doch so viel gesünder"
    Ich habe ihm einen dicken Kuss gegeben und mich bedankt. Die Dimensionen in Kilogramm kennt er allerdings nach wie vor nicht...too much Information...muss nicht sein.

    Mein Freund ist ein absolut Lieber. Mit Komplimenten und Liebesbekundungen in Form von Worten, Blumen etc. hat er es aber allerdings eher nicht. Das hat mir auch bei Gelegenheit schon immer mal weh getan.

    Allein die Antwort auf die Frage eben und sein lieber Gesichtsausdruck dazu reichen jetzt aber erstmal wieder für eine Weile.

    Das perfekte Gegenbeispiel war mein Exmann. Ich war sooo glücklich mit ihm. Er hat Blumen mitgebracht, konnte sehr liebe Worte und Gesten finden. Wir konnten punktuell, speziell auch am Ende unserer Beziehung sehr tiefgehende Gespräche über unsere Gefühle führen.

    Leider war er aber so multitaskingfähig, dass er parallel dazu auch noch eine weitere Frau so glücklich machen konnte.
    Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verdauen, dass gefühlt letztlich ich diejenige war, die unsere Beziehung aufgegeben hat, weil ich mit dieser Dreiecksituation nicht klar gekommen bin. Er selbst wollte die Entscheidung gerne noch länger aufschieben, bis er sicher war, zu wem er sich mehr hingezogen fühlte, bzw. was die richtige Entscheidung ist.
    So war vermeintlich ich es, die unserer Beziehung den Todesstoß gegeben hat. Das war wirklich schlimm, weil ich ja diejenige war, die das Beziehungs-Aus eigentlich am wenigsten wollte. Ich war halt vermeintlich nur nicht stark genug, über den Dingen zu stehen.

    So, jetzt aber genug in der Vergangenheit gewühlt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die einzelnen Episoden meines Lebens jemand genau so erlebt hat wie ich, ist eher gering.
    Dass es aber andere hier und woanders gibt, die mit ihren kleinen und großen Verletzungen ähnlich umgehen, ist hingegen groß.
    Während der schlimmen Phase der Depression war mein Essverhalten ja komplett umgeschlagen und ich konnte nichts mehr essen. Das war nicht gut und nicht gesund.

    Da es andersherum aber auch ungesund ist, will ich gerne weiterhin versuchen, mir andere Ventile als Schokolade und Co. zu suchen, um Ängste, Stress oder vermeintliche Defizite in anderen Bereichen damit auszugleichen.

    An dieser Stelle werde ich demnächst nochmal gezielter weiterdenken.